Die Meinungen über Greta Thunberg mögen auseinandergehen, aber in Deutschland ist in der Klimadebatte etwas in Bewegung geraten. Aus diesem Grund könnte das Thema der Nachhaltigkeit große Auswirkungen auf den Wert von Immobilien haben.

 

Nachdem Städte wie Vancouver, Mailand und Neapel den Klimanotstand ausgerufen haben folgten im Mai mit Konstanz und Münster die ersten Städte in Deutschland. Anfang Juni führte eine Gruppe Jugendlicher dann einen „die-in“-Protest gegen die Klimapolitik der Bundesregierung durch, und stellte sich – im Plenarsaal des Bundestages auf den Boden liegend – tot. Am Tag darauf kündigte Bundeskanzlerin Merkel schließlich einen Kurswechsel in der Klimapolitik an und sagte, ab Herbst dürfe es „kein Pillepalle mehr geben“.

Nach dem Auto, des Deutschen liebstem Kind, könnte nun auch bald der ökologische Fußabdruck der Immobilien verstärkt ins Fadenkreuz der Legislative geraten. Denn wenn eine große Volkswirtschaft wie die Bundesrepublik Deutschland die Abschaffung ihres bisherigen wirtschaftlichen Erfolgsmodells – des Verbrennungsmotors – plant, ist kaum noch etwas undenkbar – auch eine CO2-Steuer nicht. Warten wir ab, welche Dynamik mit einem/einer grünen Bundeskanzler*in entstehen könnte.

Noch meint es die Politik mit der Erreichung des in Paris festgelegten Klimaziels von 1,5 Grad Celsius globaler Erwärmung nicht radikal ernst. Jedenfalls wurde das für 2019 zustehende CO2-Budget bereits im März aufgebraucht. Tatsächlich müssten nach einer Berechnung des europäischen Forschungsprojekts Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) beispielsweise Gewerbeimmobilien die CO2-Emmissionen bis 2050 um über 80 Prozent verringern, um das Klimaziel zu erreichen.

Das “The Edge” des Projektentwicklers EDGE Technologies in Amsterdam zeigt, dass das geht: Ein ehemaliges Postrefugium wurde umgebaut und zweigeschossig aus Holz und Glas aufgestockt und die Fläche wurde von rund 7.000 Quadratmetern auf 11.800 Quadratmeter erweitert. Es wurden nur neue Materialien auf natürlicher Basis verwendet. Die alte Steinfassade wurde zermahlen und dient heute im Erdgeschoss als Fußboden. Das Edge spart gegenüber herkömmlichen Gebäuden etwa 70 Prozent an Energie ein, wenn der ganze Lebenszyklus betrachtet wird. Es wurden 7.000 Sensor-Einheiten verbaut, die allerlei Messungen melden. Die Sensoren kommen ohne Batterien aus und speisen sich einfach aus den Kabeln für die LED-Lampen. Das Smartphone dient als Fernbedienung. Über eine App können die Nutzer ihren Arbeitsplatz ganz auf ihre Bedürfnisse zuschneiden und sowohl die Beleuchtung, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit regeln oder Zugang zum Parkhaus erhalten. Überall befinden sich echte Pflanzen zur Verbesserung des Raumklimas. Die LED-Beleuchtung wird als Tageslicht empfunden, weil seine Zusammensetzung zu 90% mit Tageslicht übereinstimmen soll. Das Edge zeigt eindrucksvoll, dass Neubauten und revitalisierte Altbauten für Mieter und Käufer erheblich attraktiver sind als Bestandsimmobilien.

Bestehende Immobilien sind damit tendenziell dem Risiko einer vorzeitigen wirtschaftlichen Überalterung ausgesetzt, da sie künftigen Energiestandards oder auch den Anforderungen des Marktes nicht mehr genügen. Zudem beeinflussen steigende Energiepreise indirekt die Nachfrage und die Gesetzgebung könnte den Trend verstärken, in dem sie die Verbrauchswerte von Immobilien zur Bemessungsgrundlage von – möglicherweise nicht umlagefähigen – Abgaben und Steuern macht. Wer heute eine Immobilie plant, kauft oder besitzt, sollte diese Entwicklungen wahrnehmen. Käufer werden das Argument nutzen, um Preise zu drücken. Eigentümer von Immobilien können die verbleibende Zeit nutzen, um das Portfolio durch Umschichtung zu verbreitern.

 

Kernaussage

Der CO2-Ausstoß befindet sich ganz oben auf der politischen Agenda und Immobilienbesitzer werden diese Tatsache zu spüren bekommen. Zum einen werden Immobilienbesitzer von älteren Immobilien mit vergleichsweise überalterter Energieeffizienz schlechtere Mieterträge und geringere Verkaufserlöse erzielen. Zum anderen gibt es für Eigentümer und Kaufinteressenten im deutschen Markt unkalkulierbare Risiken von Seiten des Gesetzgebers, die jede Renditebetrachtung zunichte machen kann. Deshalb sollte alternativ der Erwerb von Immobilien außerhalb Deutschlands in Betracht gezogen werden.

Nikolaus Reeder

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