Sollten Zinsänderungen für Aktienanleger Anlass zur Sorge sein? Die Forschung von zum Beispiel von Fama 1976, Fama 1984, Fama und Bliss 1987, Campbell und Shiller 1991 oder Duffee 2002 hat gezeigt, dass Zinsänderungen und Anleihepreise ebenso wie Aktienpreise nicht vorhersehbar sind. Daraus folgt, dass eine Investmentstrategie, die versucht, derartige Veränderungen zu nutzen, wohl nur wenig Erfolg haben wird. Ungeachtet der Unberechenbarkeit von Zinsänderungen stellt sich trotzdem die Frage, welche Auswirkungen steigende Zinsen auf Aktienkurse haben können.

 

Anders als Anleihenpreise, die bei steigenden Zinsen in der Regel zurückgehen, können Aktienpreise bei Zinsänderungen sowohl steigen als auch fallen. Diese beiden gegensätzlichen Entwicklungen sind möglich, da der Preis einer Aktie sowohl von den künftigen Zahlungsströmen an Anleger als auch vom Diskontierungssatz abhängt, den diese auf die erwarteten Zahlungsströme anwenden. Wenn Zinsen steigen, könnte ein höherer Diskontierungssatz zur Anwendung kommen, was wiederum zu einem Rückgang des Aktienpreises führt. Es ist jedoch ebenfalls möglich, dass sich bei einer Änderung der Zinsen auch die erwarteten künftigen Zahlungsströme aus dem Aktieninvestment ändern. Wenn sich also die Gesamtauswirkungen nicht abschätzen lassen, stellt sich als nächstes die Frage, ob Informationen aus vergangenen Daten gewonnen werden können.

Die jüngsten Untersuchungen zu„Interest Rates and Equity Returns“ von Dimensional Fund Advisors Wei Dai aus April 2017 tragen zur Klärung dieser Frage bei. Dabei wurde die Korrelation zwischen den monatlichen Renditen US-amerikanischer Aktien auf der einen und Zinsänderungen auf der anderen Seite analysiert. Die folgende Abbildung zeigt, dass bei Aktienrenditen ein heftiges Auf und Ab ohne klar erkennbares Muster zu beobachten ist. Außerdem ist erkennbar, dass diese Schwankungen offenbar kaum mit den Änderungen des effektiven Leitzinses der US-amerikanischen Notenbank zusammenhängen.

Monatliche Renditen US-Amerikanischer Aktien im Vergleich zu den monatlichen Veränderungen des effektiven Leitzinses der US-Amerikanischen Notenbank.

Beispielsweise bewegten sich Aktienrenditen in Monaten, in denen der Leitzins stieg, zwischen einem Tiefstand von -15,56% und einem Höchststand von 14,27%. In Monaten, in denen die Leitzinsen zurückgingen, bewegten sich die Renditen hingegen innerhalb einer Bandbreite von -22,41% bis 16,52%. Aufgrund der Tatsache, dass es neben dem US-amerikanischen Leitzins noch viele weitere Zinssätze gibt, untersuchte Wei Dai auch langfristige Zinssätze und gelangte zu vergleichbaren Ergebnissen.

Kommen wir jedoch auf unsere Eingangsfrage zurück, ob steigende Zinsen auch automatisch fallende Aktienkurse bedeuten? Die Antwort lautet „Ja“ – jedoch nur in 40% der Fälle. In den verbleiben 60% der Monate mit steigenden Zinsen waren Aktienrenditen positiv. Eine ähnliche Aufteilung zwischen positiven und negativen Renditen bestanden auch in Monate mit fallenden Zinsen. Es gibt also keinen klaren Zusammenhang zwischen Aktienrenditen und Zinsänderungen.

 

Kernaussage

Es gibt keinen Nachweis dafür, dass Anleger Zinsänderungen zuverlässig vorhersagen können. Doch auch eine verlässliche Vorhersage der künftigen Zinsentwicklungen liefert kaum Anhaltspunkte für die anschließende Entwicklung von Aktienrenditen. Vielmehr sollten Anleger langfristig investiert bleiben und sich nicht aufgrund kurzfristiger Vorhersagen zu Änderungen verleiten lassen. Dadurch verbessert sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie langfristig die am Aktienmarkt gebotenen Renditen erzielen.

Nikolaus Reeder

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