Am 15. August 1971 brachen die USA einseitig ihr Versprechen, den Dollar jederzeit in Gold umzutauschen. Das Ereignis wirkt bis heute nach.  Thomas Fuster beschreibt in seinem Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 14.08.2021 anschaulich die Hintergründe zum Bretton Woods-System und rund um die Ereignisse vor und nach dem Nixon-Schock.

 

Weder die Ehefrauen noch der Nationale Sicherheitsrat der USA waren eingeweiht. Niemand durfte an jenem Wochenende im August 1971 erfahren, warum Richard Nixon sein Wirtschaftsteam auf den Landsitz in Camp David beordert hatte. Der amerikanische Präsident verlangte von den Anwesenden absolutes Stillschweigen, wie Jeffrey Garten in seinem kürzlich erschienenen Buch «Three Days at Camp David»nachzeichnet. Die Geheimniskrämerei hatte ihren Grund: Diskutiert und beschlossen wurde nämlich eine radikale Neuordnung des weltweiten Währungssystems. Das Resultat des dreitägigen Treffens ging denn auch als «Nixon-Schock» in die Geschichte ein.

Fehlendes Vertrauen in das Bretton-Woods-System

So klandestin das Krisentreffen organisiert wurde, so offenkundig waren damals die Wirtschaftsprobleme der USA. So zeigte sich ab den 1960er Jahren immer deutlicher, dass die monetäre Nachkriegsordnung mit inneren Widersprüchen kämpfte und auf einem wackligen Fundament ruhte. Diese Ordnung, 1944 im amerikanischen Bretton Woods beschlossen, sah für das internationale Währungssystem eine abgeschwächte Version des Goldstandards vor. Dabei agierte der Dollar als globale Ankerwährung, deren Wert ans Gold gebunden war. Konkret bestand das Bretton-Woods-System aus zwei Elementen:

Erstens verpflichtete sich die US-Notenbank gegenüber den anderen Währungsbehörden und Regierungen, den Dollar jederzeit zu einem fixen Kurs von 35 $ pro Feinunze in Gold umzutauschen. Mit diesem Versprechen – auch als Goldfenster bezeichnet – sollte dem Weltwährungssystem die notwendige Stabilität und Disziplin verliehen werden, zumal die amerikanischen Goldreserven in Fort Knox ja begrenzt waren. Zweitens versprachen die Notenbanken der übrigen Teilnehmerstaaten, ihre Währungen mittels Interventionen am Devisenmarkt wertstabil gegenüber dem Dollar zu halten; innerhalb enger Bandbreiten herrschten fixe Wechselkurse.

Die Währungen aller Länder ausser den USA waren somit nicht direkt an das Gold gebunden, sondern nur an den Dollar. Weil aber der Dollar gegen aussen als Goldwährung auftrat, blieben die nationalen Währungen zumindest indirekt durch das Edelmetall gedeckt. Anpassungen der Wechselkurse waren in diesem Gold-Devisen-Standard nur für den Fall fundamentaler Zahlungsbilanzungleichgewichte erlaubt. Das sollte dem Währungssystem eine gewisse Flexibilität verleihen, jedoch einen ruinösen Abwertungswettlauf, wie er in den 1930er Jahren stattfand, verhindern.

Doch als Nixon sein Wirtschaftsteam in Camp David um sich scharte, glaubte kaum noch jemand an das Funktionieren dieses Systems. So kursierten bereits weit mehr Dollar, als die USA in Gold hätten umtauschen können. Denn die rasch wachsende Weltwirtschaft – Europa und Japan erlebten einen Nachkriegsboom – benötigte viel Liquidität, weshalb immer mehr Dollar gedruckt wurden. Zudem betrieben die USA zur Finanzierung des Vietnamkriegs oder von Sozialprogrammen wie der «Great Society» eine inflationäre Politik. Immer mehr Länder wollten daher 1971 einen Teil ihrer Dollarbestände in Gold umtauschen. Dies auch deshalb, weil eine Feinunze Gold auf dem Markt weit mehr Wert hatte als der fixe Umtauschkurs von 35 $.

Das Goldfenster wird geschlossen

Was tun? Das Team des Präsidenten war sich uneinig. Erschwerend kam hinzu, dass Nixon aus seinem Desinteresse an Fragen der Wirtschaftspolitik nie ein Geheimnis machte; ihn faszinierten aussenpolitische Themen weit mehr. Auch warf die Präsidentschaftswahl vom November 1972 ihren Schatten voraus. Gesucht war daher eine Entscheidung, die Nixons Wiederwahlchancen stärkte und den aussenpolitischen Prioritäten nicht in die Quere kam. Ausserdem liebte Nixon die grosse Geste: Er wollte ein starkes Signal aussenden und den heimischen Wählern klarmachen, dass er die ökonomischen Probleme furchtlos anging, etwa die wachsenden Spekulationen gegen den Dollar, die schwindenden Goldreserven und das steigende Leistungsbilanzdefizit.

Auch Finanzminister John Connally – kein Mann der leisen Töne und neben Nixon der einflussreichste Akteur in Camp David – hatte primär das nationale Wohl im Auge und stellte weltwirtschaftliche oder ordnungspolitische Gedanken hintan. Anders lagen die Dinge bei George Shultz, dem Chef des Büros für den Staatshaushalt, und beim nachmaligen Notenbankchef Paul Volcker, der damals noch im Finanzministerium tätig war. Die beiden Ökonomen hatten klare Überzeugungen. Doch während Shultz – intellektuell geprägt durch die Chicagoer Schule möglichst freier Märkte – ein Freund flexibler Wechselkurse war, machte sich Volcker für Fixkurse und die Grundprinzipien des Bretton-Woods-Systems stark. Notenbankchef Arthur Burns wiederum wollte vor allem an der Umtauschpflicht der USA festhalten.

Miteinander vereinbar waren diese Ansichten nicht. Doch die Würfel waren schon vor Beginn des Treffens gefallen: Das Goldfenster der USA sollte geschlossen werden. Dieser Entscheid Nixons wurde den Anwesenden bereits zu Beginn des Treffens mitgeteilt. Was die übrige Welt davon halten würde, spielte eine marginale Rolle. Wie Volcker in seinen Memoiren («Keeping at it», 2018) schreibt, informierte man weder die grossen Handelspartner noch den Internationalen Währungsfonds, der eigentlich zur Überwachung des Bretton-Woods-Systems gegründet worden war. Niemand sollte etwas wissen, ehe Nixon am Sonntagabend des 15. August 1971 mit einer Fernsehansprache die populäre Westernserie «Bonanza» kurzzeitig unterbrach und effektvoll das Ende der alten Währungsordnung bekanntgab.

Es blieb nicht bei der einseitigen Aufhebung des amerikanischen Versprechens, den Dollar in Gold umzutauschen. Hinzu kam ein Bündel weiterer Massnahmen. Im Kampf gegen die steigende Inflation kündigte Nixon etwa ein 90-tägiges Einfrieren von Löhnen und Preisen an, was die amerikanische Öffentlichkeit in der Folge weit mehr interessierte als das Ende des Dollar-Gold-Umtausches. Viel interventionistischen Geist atmete auch die Bekanntgabe eines 10% hohen Importzolls. Mit dieser Massnahme wollte Nixon die heimischen Exporteure schützen und die ausländischen Staaten zu einer Aufwertung ihrer Währungen zwingen, zumal er den Dollar als stark überbewertet betrachtete, namentlich gegenüber dem Yen und der D-Mark.

Der Beginn des ungedeckten Geldes

Eigentlich war die Aufhebung der Dollar-Gold-Konvertibilität nur als temporäre Massnahme gedacht. Das alte Regime sollte teilweise wieder installiert werden, nachdem die Handelspartner ihre Währungen unter Druck des Importzolls aufgewertet haben würden. Zwar einigte man sich im Dezem­ber 1971 im Smithsonian-Abkommen tatsächlich auf neue Wechselkurse, was den Dollar deutlich billiger und wettbewerbsfähiger machte. Doch das neue Abkommen – von Nixon unbescheiden als die «bedeutendste währungspolitische Errungenschaft der Weltgeschichte» gelobt – war bald substanzlos; der Geist war längst aus der Flasche entwichen und liess sich nicht wieder einfangen.

So beruhigte sich die Währungssituation nach 1971 nur kurzzeitig. Die Anbindung an den Dollar sorgte weiterhin für Zündstoff. Denn Amerikas inflationäre Geldpolitik nahm keine Rücksicht auf andere Staaten. Die unverblümte Aussage von Finanzminister Connally «Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem» blieb wegweisend. Bei den ausländischen Zentralbanken schwand indes das Interesse, den amerikanischen Inflationsdruck über fixe Wechselkurse ins eigene Land zu importieren. Sie begannen, ihre Interventionen zur Stützung des Dollars einzustellen. Als erstes Land tat dies im Januar 1973 die Schweiz, andere Staaten folgten. Im März 1973 zerfiel das Bretton-Woods-System endgültig; die jahrelange Agonie hatte ein Ende.

Seither werden die Wechselkurse mehrheitlich durch das Spiel von Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt bestimmt; fixe Kurse sind zur Ausnahme geworden. Weit wichtiger als dieser Übergang zu einem sogenannten Floating ist eine andere Auswirkung: So zerfiel mit dem Nixon-Schock die letzte Bindung des Geldes an ein Edelmetall. Das globale Währungssystem ist seit jenem Sonntagabend nicht länger an ein reales und knappes Gut gebun­den. Es begann vielmehr die Zeit des sogenannten Fiat-Geldes, also des ungedeckten Papiergeldes ohne jeden inneren Wert.

Für die Notenbanken ging mit dieser Zäsur ein enormer Machtzuwachs einher. Sie konnten ab sofort so viel Geld emittieren, wie ihnen beliebte. Ihre Autonomie wurde nicht länger eingeschränkt durch fixe Regeln oder natürliche Restriktionen wie die Höhe der Goldreserven. Die Vermehrung der Geldmenge war nun grenzenlos möglich. Und weil nicht länger auf die Einhaltung fixer Wechselkurse geachtet werden musste, konnte erstmals auch eine Geldpolitik betrieben werden, die ausschliesslich an den nationalen Zielen des eigenen Landes ausgerichtet waren. Nie zuvor in der Wirtschaftsgeschichte hatten Notenbanker mehr Freiheiten, mehr Einfluss, mehr Autorität.

Die Tücken geldpolitischer Freiheit

Ist das globale Währungssystem dadurch stabiler geworden? Ökonomen und Ökonominnen sind sich uneins: Einerseits können Notenbanken heute flexibler und entschiedener auf Krisen reagieren. Sie sind nicht länger in das Korsett eines Goldstandards gezwängt. Welchen Schaden dieses Korsett anrichten kann, zeigte sich in den 1930er Jahren, als die Notenbanken inmitten einer Weltwirtschaftskrise ihre Zinsen erhöhen mussten, um die Goldparitäten zu verteidigen. Statt die Wirtschaft mit mehr Liquidität anzukurbeln, traten sie also auf die Bremse. Damit trugen die Währungsbehörden massgeblich dazu bei, dass aus einer normalen Rezession eine schwere Depression wurde.

Anderseits ist fraglich, ob die Notenbanken mit den neuen Freiheiten verantwortlich umgehen. So wird seit der Finanzkrise von 2008 jede noch so kleine konjunkturelle Delle durch ein Anwerfen der Notenpresse zu verhindern versucht, was die Notenbankbilanzen besorgniserregend aufgebläht hat. Auch die Idee, die Zinsen de facto ausser Kraft zu setzen und mit viel Gratisgeld das Auftürmen von Schuldenbergen zu begünstigen, ist nicht geeignet, das Vertrauen ins Geldsystem zu stärken. Zwar sind jene inflationären Fieberschübe, die in den 1970er Jahren auf den Nixon-Schock folgten, heute nirgendwo mehr erkennbar. Wer will, kann die derzeitige Flucht in Sachwerte wie Immobilien oder Aktien aber durchaus als Zeichen des Misstrauens ins Geldwesen werten.

Ob Nixon vor 50 Jahren die weitreichenden Folgen seines Tuns absehen konnte, bleibt offen. Zweifellos stellte das damalige Geheimtreffen aber eine wichtige Weggabelung in der Wirtschaftsgeschichte dar. Dessen Ergebnis wurde von der amerikanischen Öffentlichkeit zunächst mehrheitlich begrüsst und erleichterte Nixons Wiederwahl im Jahr 1972. Als jedoch in den späten 1970er Jahren der inzwischen zum Notenbankchef aufgestiegene Paul Volcker im Kampf gegen die Inflation die Zinsen massiv erhöhten musste, was eine schwere Rezession auslöste, sah mancher Bürger den Nixon-Schock mit anderen Augen.

Nicht erfüllen sollte sich derweil die 1971 vor allem in Frankreich weitverbreitete Hoffnung, dass mit der Aufhebung der Dollar-Goldbindung auch die Hegemonie der amerikanischen Währung zu Ende gehen würde. Von einer solchen Wachablösung – etwa durch den Euro oder Renminbi – ist bis heute nichts erkennbar. Der Dollar hat seine Degradierung in Camp David gut weggesteckt, er ist auch ohne Koppelung ans Gold noch immer die unangefochtene Leitwährung.

Fazit

Vertrauen ist wie ein zartes Pflänzchen – tritt man drauf braucht es sehr viel Zeit, bis es sich wieder aufrichtet. Daher kann es sinnvoll sein, seine Finanzen nicht auf Versprechungen aufzubauen. Vielmehr sollten sie so organisiert sein, dass Phasen der Neuausrichtung entspannt durchgestanden werden können.

Nikolaus Reeder

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